Nach ungefähr drei Wochen seit dem Start der Ausstellung “Home from Home” mit Arbeiten der japanischen Fotokünstlerin Satomi Shirai stellt sich heraus, dass es keinesfalls sicher ist, dass die Besucher der Ausstellung mit den Interpretationsvorschlägen der Künstlerin immer übereinstimmen.

Shirai selbst sieht ihre Arbeiten als Versuche, die physischen und psychologischen Veränderungen und Assimilationsprozesse von Migranten fotografisch umzusetzen. Ursprünglich als Dokumentation ihrer eigenen Erfahrungen als Japanerin in New York begonnen, wandelten sich ihre Bilder schnell in symbolbeladene, teils surreal anmutende Arbeiten, welche stellvertretend für all diejenigen sprechen wollten, die sich im Ausland zu integrieren versuchen.

Auch ihre fast an Makroaufnahmen erinnernden Bilder von Puppenhäusern, die, oft zerlegt und falsch zusammengefügt, von der Inkompatibilität der eigenen Gewohnheiten und der daheim gelernten Massstäbe mit dem neuen Zuhause erzählen fügen sich in dieses Thema, das Satomi Shirai so beschäftigt, nahtlos ein.

Shirai erwähnt in ihren Statements aber nie die inhärente Erotik, die dem Betrachter subtil und unschuldig in ihren Fotografien begegnet. Es ist aber gerade diese Erotik, die einen anzieht. Über diese entwickelt sich die Neugierde auf mehr, auf die zahlreichen Allusionen und Reminiszenzen, die Shirai in ihren Bildern eingebaut hat. Dort überrascht einen zum Beispiel der Luftbefeuchter, der an die “manholes”, den dampfenden Kanalisationsdeckeln in den New Yorker Straßen erinnern soll. Oder die griechische Zeitung, die über den Klappstuhl in der Küche hängt und das Buch über Oscar Wilde im Stapel auf der Ablage. Dadurch stellt sich eine subtile Verbindung her zur Homosexualität des großen britischen Schriftstellers.

Egal, welches Bilddetail dem Betrachter von Shirais Arbeiten als erstes auffällt, es ist stets nur der Anfang einer längeren Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bild. Den einen ärgert es, den anderen zieht es magisch hinein, in die leicht chaotische Welt der Satomi Shirai in New York.